Als „Imago“ überwinternde Tagfalter


Alle 6 auf einen Streich

Aktuell besteht vielerorts in der Eifel die Möglichkeit, alle 6 als „Imago“ überwinternden Tagfalterarten in kurzer Zeit zu finden

von Stefan Meisberger

Die jüngste Schönwetterperiode mit strahlendem Sonnenschein und Temperaturen bis zu 20 Grad bot perfekte Bedingungen für die Beobachtung der 6 einheimischen Tagfalterarten, die als Falter (im Fachjargon „Imago“) überwintern. Sie sind im Jahreslauf als erste unserer heimischen Tagfalter zu finden und mit Ausnahme des Großen Fuchses überall recht häufig.

Ich habe dazu am 18. März einmal die Probe auf´s Exempel gemacht und bin im Billiger Wald am Nordrand der Eifel nur 3 Kilometer südlich von Euskirchen einen sonnigen, südexponierten Waldrand mit angrenzender Magerwiese abgelaufen.

Schon nach wenigen Metern schraubt sich direkt vor mir ein kleiner orangener Falter in die Luft, um sich kurz darauf wieder auf den Weg zu setzen und seine Flügel in Richtung Sonne auszurichten. Es handelt sich um einen C-Falter, zu dem sich just ein zweites Exemplar der gleichen Art gesellt.

Manche der Tiere sehen schon ziemlich zerrupft und ramponiert aus, weil sie eben nicht frisch geschlüpft sind, sondern noch aus der Sommer-/Herbstgeneration des Vorjahres stammen und die kalte Jahreszeit an geschützten Orten (z.B. in Gebüschen oder an kühlen Stellen in Gebäuden) überdauert haben.

Kaum setze ich meinen Weg entlang des Waldrandes fort, schwirrt schon mit hohem Tempo ein dunklerer Falter direkt auf mich zu, schwirrt um meinen Kopf herum und setzt seinen Flug fort, um sich wenige Meter weiter auf den Ast einer blühenden Salweide zu setzen: Es handelt sich um einen Admiral.

Admiral (Vanessa atalanta) an Blüten der Salweide (Salix caprea)

Der Admiral ist ein ausgewiesener Wanderfalter. Überwinternde Tiere waren in Deutschland bis vor ca. 2 Jahrzehnten eher die Ausnahme, unsere Winter waren für die Art schlichtweg zu kalt. Die mitteleuropäische Population begründete sich jedes Jahr von neuem allein durch Zuwanderung von Tieren aus dem Mittelmeerraum. Mittlerweile, so auch nach dem vergangenen milden Winter, sind in Deutschland Admiräle, die bei uns als Falter überwintert haben, im sehr zeitigen Frühjahr zu einem gewohnten Anblick geworden. Sie sind somit wohl als ein Indikator der voranschreitenden Klimaerwärmung in unseren Breiten zu werten.

Weiter geht es auf meinem Falterweg, und schon nach wenigen Metern wirbeln vom Weg schon wieder mehrere orange gefärbte Schmetterlinge auf. Bei näherem Hinsehen sind es gleich zwei „Überwinterer“-Arten:

Da setzt sich ein Kleiner Fuchs auf einen blühenden Salweidenast und saugt genüsslich Nektar.

Kleiner Fuchs (Nymphalis urticae)

Der Kleine Fuchs ist wie der Admiral ein Wanderfalter, überwintert aber in Deutschland seit jeher erfolgreich als Imago. Seine mitteleuropäische Population speist sich also aus den Nachkommen der Überwinterer und der im Laufe des Frühling und Sommer aus Südeuropa zuziehenden Falter (die die Alpen überqueren (!) und dabei vielfach an Pässen beobachtet werden können).

In dem Faltergewirbel zeigt sich noch eine weitere, als Imago überwinternde Tagfalterart: der Große Fuchs!

Der Große Fuchs sieht dem Kleinen Fuchs recht ähnlich und ist im Reigen der sechs in diesem Artikel behandelten Arten die in Deutschland und Nordrhein-Westfalen mit Abstand seltenste Art. Selbst erfahrene Schmetterlingsbeobachter sehen ihn in manchen Jahren nur im März und April, wenn die überwinterten Falter in strukturreichen Habitaten mit blühenden Salweiden gut zu beobachten sind. Im weiteren Jahresverlauf verteilen sich die Tiere stärker in der Landschaft und sind dann recht schwierig nachzuweisen.

Ich setze indes meinen Weg fort und kann Falterart Nummer 5 auf meiner Liste abhaken und auf meinem Smartphone in Observation.app eingeben: Das wunderschöne, allseits bekannte Tagpfauenauge.

Die charakteristischen „Augen“ auf den Oberseiten der Vorder- und Hinterflügel dienen dem Tagpfauenauge zur Abwehr von Fressfeinden. Wenn die Falter ihre Flügel aufklappen und die charakteristischen Augenpaare erscheinen, wird sicher mancher Vogel für Sekundenbruchteile zumindest irritiert sein. Entscheidende Zeit für das Tagpfauenauge, erfolgreich die Flucht zu ergreifen.

Schließlich sehe ich auf dem Weg vor mir schon von Weitem den letzten, noch fehlenden Tagfalter auf meiner heutigen Tagesliste: ein Zitronenfalter-Männchen.

Zitronenfalter (Gonepteryx rhamni) – Weibchen

Der Zitronenfalter gehört als einziger der illustren 6 Tagfalter unserer Liste nicht zu den Edelfaltern, sondern zur Familie der Weißlinge. Männchen und Weibchen sind gut an der unterschiedlich intensiven Gelbfärbung der Flügel zu unterscheiden. Während die Männchen in grellem Zitronengelb leuchten, erscheinen die Weibchen in einem sanften weißlichen Gelb-Grün.